Unterwachung

…oder die Kunst, Vorgesetzte zu lenken ist nach meiner Beobachtung der Kitt, der Organisationen zusammen und der Schmierstoff, der sie am Laufen hält.

Wundert es sie nicht auch, dass über diesen Kitt bzw. Schmierstoff so wenig bekannt ist? „Wahrscheinlich haben Untergebene gute Gründe dafür, darüber zu schweigen, wie sie ihre Vorgesetzten behandeln“, vermutet Niklas Luhmann von dem der Begriff der Unterwachung stammt. Und dabei ist dieses Wissen über die Unterwachung so notwendig, denn in der neuen Arbeitswelt sind „Befehlsempfänger“ nicht mehr gefragt:

Agilität, Projektarbeit, Selbstorganisation, Innovation, etc.. brauchen aktiv handelnde Mitarbeiter,
die Verantwortung auch ohne formale Delegation übernehmen!

Felix Frei hat das Thema Unterwachung näher beleuchtet und „11 Gebote für Geführte“ abgeleitet. Besonders wichtig finde ich davon

Lieber um Verzeihung bitten, als um Erlaubnis fragen
Unbestritten ist, dass Hierarchie für eine Organisation sinnvolle Effekte hat. Aber wenn das Neue entstehen soll/ muss, dann ist ein hierarchischer Prozess der „Erlaubniserteilung“ fehl am Platz. Mitarbeiter, die zunächst fragen, ob und unter welchen Bedingungen sie handeln dürfen, wollen meist die Verantwortung loswerden und kommen mit ihren Lösungen häufiger zu spät.

Wenn „definierte „Handlungsspielräume“ auf Disruption trifft,
ist klar, wer unterliegt…

Eine Haltung des Ausprobierens, Versuchens und „prototyping“ die Themen erkennt und angeht ist dagegen auch bei VUCA Wetter robust und zukunftsfest.
Wie ist es bei ihnen: Belohnen sie mutiges Engagement und gehen mit Fehlern bei der Suche nach dem Neuen großmütig um?
Oder stecken sie in einer detaillierten Auftragsklärung erst alle Grenzen genau ab, bevor sie anfangen?

Wisse, was Du nicht kannst
Was ist denn ihre größte Schwäche? –Ungeduld! Kennen sie diesen Dialog auch noch aus Vorstellungsgesprächen?
Er zeigt eine immer noch weit verbreitete Einstellung: stelle erstens heraus, was Du alles kannst. Alles andere formulierst Du dann zweitens positiv als Deine Lernfelder und Herausforderungen.

Das ist der Weg in die Mittelmäßigkeit – von allem ein wenig, aber nichts richtig können – und damit unsichtbar bleiben!

Erfolgreiche und zufriedene Profis wissen dagegen, was sie nicht können und kommunizieren das offen. Denn nur wer die Unterschiede benennt, macht sie besprech- und bearbeitbar.
Wie ist das bei ihnen: Nehmen sie alle Aufträge erst einmal an und „schaffen das“ (irgendwie)?
Oder zeigen sie, wo sie nützlich sind und machen gleichzeitig ihre Inkompetenz dort deutlich, wo die Aufgabe von jemand, der gut darin ist, erledigt werden kann ?

Plaudere über Belanglosigkeiten
Berufliche Beziehungen gestalten sich nicht über Organigramme, Teamzugehörigkeit und Rollenbeschreibungen allein, denn diese definieren nur die formale Seite. Hinzukommen muss das Gefühl der sozialen Zugehörigkeit zur Gruppe. Konversation, Quatschen, Klatsch und Tratsch sind dafür wichtig! Sie klären immer wieder aufs Neue: wer bist Du, wie findest Du mich, wer darf hier was, wie läuft das bei uns?

Informelle Kommunikation ist überlebenswichtig, wenn sich Menschen nicht nur als Stelleninhaber, sondern auf Augenhöhe begegnen wollen.

Und das Schöne an diesen Plaudereien ist, dass sie kaum „gefährlich“ werden. Denn informelle Kommunikation findet ja nie so verbindlich statt, als dass Aussagen nicht revidiert oder nochmals erläutert werden können. Man plaudert ja nur…
Wie ist das bei ihnen: Plaudern sie mit Kollegen „einfach nur so“ und „machen Kontakt“?
Oder beäugen sie die Kollegen in der Kaffeeecke mit dem Gefühl, wann die wohl wieder an die Arbeit gehen wollen?

Diese drei kurzen Beispiele illustrieren, worauf es ankommt, wenn sie ein schlagkräftiges Team formen wollen: Mitarbeiter „machen zu lassen“, d.h. so zu behandeln, wie sie es verdienen: als selbstständig denkende Erwachsene…

Hat sie dieser kleine Text ermutigt, weiter über die gute Wirkung der Unterwachung, d.h. die Führung der Vorgesetzen durch ihre Mitarbeiter, nachzudenken? Dann schreiben Sie mir gern eine formlose Mail an lotse@www.hinz-wirkt.de

3 Kommentare zu „Unterwachung“

  1. Hallo Herr Hinz,
    vielen Dank für den Beitrag.
    Ein sehr relevanter und viel zu wenig betonter Aspekt; umso mehr, wenn es um Führung und geführt werden gerade auch im agilen Kontext geht.
    Leider wird „manage your boss“ viel zu wenig explizit ermutigt, gefordert und trainiert.

    Übrigens haben auch Gabarro und Kotter schon 2005 im Harvrad Business Review durchaus lesenswerte Überlegungen zum Thema formuliert.
    (https://hbr.org/2005/01/managing-your-boss)

    Beste Grüße
    Ayelt Komus

    1. Danke Stefan: Delegation Poker ist eine der gut abkopplungsfähigen Methoden, die ich auch zunehmend verwende.
      Ende des Jahres wird es auch seinen Platz finden in dem Buch #pm202x, das ich gerade gemeinsam mit Heiko Bartlog fertigstelle…

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