..die sagen mir ohnehin nur das, was ich schon wusste“, lautet ein beliebtes bonmot über die Zunft der Beratung.
Die Dienstleistung Beratung ist in einer Krise, lauteten die Schlagzeilen der Wirtschaftspresse im Krisenjahr 2009. Umsetzungsferne Konzepte die weitgehend wirkungslos in einem sich rasant entwickelnden Umfeld bleiben, würden zudem überteuert angeboten, war da zu lesen.
Stimmt! Ich finde auch, dass die tradierte Unternehmensberatung mit ihren amerikanisch dominierten Konzepten wie benchmarking, management by objectives oder key performance indicators überlebt hat. Dies ist bekanntes Wissen, das sich Unternehmen bequem und kostengünstig „besorgen“ können.
Oder ist die Funktion von Beratungsfirmen eigentlich eine andere, nämlich Legitimität für eine Veränderung zu schaffen? Ich erinnere mich lebhaft an den Vorstand einer großen Bank, der einräumte: „Ich beauftrage doch keinen Berater, wenn ich nicht schon das Ergebnis mit Ihm besprochen habe!“
Aber auch diese Funktion wird immer weniger akzeptiert. Junge Hochschulabsolventen die mit kompetenten Mitarbeitern Checklisten durchgehen und Senior Partner, die in 100 powerpoints dann das erklären, was alle sowieso schon geahnt haben, machen diese Art von „Change Kommunikation“ zu einem dauerhaften Widerstandsnest.
Der von mir sehr geschätzte Stephan Jansen schreibt in brand eins dazu:
Das Beratungsverhältnis wird zur Entwicklungspartnerschaft – ohne Expertenhierarchie, aber mit unterschiedlichen Rollen. Analog zur Entwicklungspartnerschaft in der Software-Entwicklung wird zunehmend akzeptiert, dass der Klient sich selbst doch immer noch ein wenig besser kennen sollte. Und entscheiden muss er auch allein – schließlich ist er Manager.
In meiner Haltung als Organisationsberater und Business Coach verstehe ich
- Organisationen als komplex-unberechenbare Systeme und nicht als kompliziert-beherrschbare Systeme und
- den Mensch nicht primär als eine Quelle für Fehler, sondern seine Wahrnehmungen als die wertvollste Quelle, um etwas über den Zustand der Organisation zu erfahren.
Daher sollte aus meiner Sicht wirksame Beratung
- die Komplexität durch sinnvolle Alternativen erhöhen, statt nur allein auf das zu setzen, was „Fakt ist“.
- Unterschiede im Betrachten von und Herangehen an typische Themen einzuführen, statt nur Tools & Checklisten zu verabreichen.
- den Klienten bei unentscheidbaren Entscheidungen zu begleiten, ohne selbst zu wissen, was richtig ist.
Wie dies am Beispiel einer Organisationsentwicklung aussieht, zeigt der folgende podcast:
Audio Datei: Olaf Hinz über wirksame Beratung
Ganz wie James March es beschreibt:
Das Herzstück einer guten Beratung ist die Einsicht, dass kein Berater genug über die Zusammenhänge weiß, um konkrete Ratschläge zu erteilen. Ein guter Berater kann bestimmte Dinge ansprechen. Was er sagt ist immer irgendwie falsch. Es sollte aber mindestens so falsch sein, dass es einen Manager dazu bringt, noch einmal neu darüber nachzudenken, was er eigentlich tut.
Oder?
Sehr geehrter Herr Hinz,
vielen Dank für Ihren interessanten Artikel.
Dem Zitat von Herrn March kann ich so nicht zustimmen. Ich bin sehr wohl der Ansicht, dass ein Berater konkret werden sollte. Nur so kann der Kunde ja überhaupt erst die Tragfähigkeit der vorgeschlagenen Lösung beurteilen. Wenn das alles nebulös verklausuliert in 100 Power-Point-Folien daherkommt, ist das für mich keine gute Beratung.
Meiner Ansicht heißt das jedoch nicht zwangsläufig, dass ein Kunde einen Ratschlag eines Beraters 1 : 1 umsetzen soll. Hier gilt: Im konstruktivem Dialog zwischen Berater und Manager entstehen die besten Lösungen für das Unternehmen.
Viele Grüße
Oliver Knittel
dieser Beitrag ist jetzt auch Teil der blogparade von Conny Dethloff
http://blog-conny-dethloff.de/?p=3521
Obowhl der Beitrag hier ja schon einige Jährchen auf dem Buckel hat, ist er meines Erachtens immer noch hoch aktuell. Der „schlechte Ruf“ der Beraterbranche hat sich in meinen Augen in den letzten Jahren nicht gebessert, sondern eher noch verschlechtert.
Dabei glaube ich, dass gerade angesichts der auf uns zukommenden Herausforderungen durch die Digitalisierung, Unternehmensberatung in allen Unternehmensbereichen wichtiger ist denn je.
Aber dazu braucht es einerseits tatsächlich die nötige Fachkompetenz (die meiner Erfahrung nach leider nicht bei allen Beratern in der entsprechenden Qualität vorhanden ist) und andererseits eine andere Art des Beratens.
Und zwar ein partnerschaftliches Miteinander auf Augenhöhe zwischen Kunde und Berater und der gemeinsame Wille die Probleme und Herausforderungen auch gemeinsam meistern zu wollen. Und dazu zählen meines Erachtens eben keine Berater, die sich schlecht vorbereiten und nur zeigen wollen was sie „drauf haben“, anstatt den Kunden von Anfang an in den Mittelpunkt zu stellen (wie es mir leider häufiger als Kunde von Beratern ergangen ist, wie ich in diesem Erfahrungsbericht geschrieben habe: http://fit4consulting.de/erzaehl-mir-doch-nicht-was-ich-eh-schon-weiss/ ).
Ich glaube es braucht mehr Berater, die sich mehr zu Umsetzungserfolg „verpflichten“ und Kunden, die Beratung annehmen und wertschätzen. Vielleicht hat auch einfach das Wort „beraten“ ausgedient und eine gute Unternehmensberatung müsste tatsächlich eher einem Coaching gleichen.
Es gibt auf jeden Fall noch einiges zu tun, um Unternehmensberatung wieder den Wert und vor allem den Mehrwert für den Kunden zuzuschreiben, den sie eigentlich haben könnte.