Drei Prinzipien für unsere ungewisse Zeit

Es ist eine Binse: die Zeiten sind ungewiss und sie werden absehbar dynamisch und überraschend bleiben. Da ist es nicht verwunderlich, dass die Sehnsucht nach Stabilität, Klarheit und Eindeutigkeit zunimmt. Das Herz wünscht sich gerade Wege zum Erfolg, der Kopf weiß, dass Umwege, Kreise und Sackgassen immer häufiger unseren Weg kennzeichnen werden.

bildet banden
1. bildet Banden

Teams erreichen in unserer ungewissen Zeit oft bessere Lösungen als einzelne Personen, da sie verschiedene Stärken bündeln, Themen aus unterschiedlichen Perspektiven betrachten und Emotionen gemeinsam einordnen können. 

  • Durch den Austausch von Ideen können Teammitglieder aufeinander aufbauen und Gedanken weiterentwickeln, die ein einzelner nicht unbedingt gehabt hätte. Dieses Konzept der „kollektiven Intelligenz“ führt häufig zu besseren Ergebnissen.
  • Teams haben bessere Chancen, potenzielle Fehler oder blinde Flecken zu identifizieren, da mehrere Köpfe beteiligt sind. Dies verringert das Risiko.
  • In unsicheren Situationen neigen Einzelpersonen dazu, entweder übervorsichtig oder zu riskant zu handeln. Teams hingegen können durch wirksame Dialoge Ausgewogenheit entwickeln.

Pseudokooperation begegnen

Die Praxis zeigt allerdings: Viele Teams sind durch Pseudokooperation, d.h. das Darstellen von Zusammenarbeit statt der eigentlichen gemeinsamen Sacharbeit, gekennzeichnet. Dagegen sind sich wirksame Gruppen ihrer Unterschiede bewusst und nutzen diese.
Damit dies gelingt, stellen sie sich fünf typischen Befürchtungen, die die Arbeit im Team schwierig machen:

  • Einsamkeit, d. h. die Sorge, mit seiner Position/Idee allein dazustehen bzw. abgelehnt zu werden.
  • Misstrauen, d. h. die Sorge, dass die anderen nicht fair spielen und mir schaden wollen.
  • Harmoniestreben, d. h. die Sorge, dass Konflikte immer bleibende Schäden hinterlassen und deshalb vermieden werden müssen.
  • Verlust des Lorbeerkranzes, d. h. die Sorge, dass die Erfolge von Führungsentscheidungen nicht nur mir allein zugerechnet werden, bzw. Erhalten des Dornenkranzes, d. h. die Sorge, dass die Misserfolge von Führungsentscheidungen nur mir allein zugerechnet werden, und
  • Egoismus, d. h. die Sorge, seine Position nicht durchzusetzen bzw. in der gemeinsamen Entscheidung sich nicht prominent wiederzufinden.

Um Unterschiede gut zu nutzen, braucht es Ambiguitätstoleranz, d.h. die Fähigkeit, Widersprüchlichkeiten, Unterschiede oder Ungewissheit wahrzunehmen und nicht gleich negativ zu bewerten. Je höher die Ambiguitätstoleranz ausgeprägt ist, desto eher ist man in der Lage, etwas auszuhalten, was einem auf den ersten Blick schwer verständlich oder sogar inakzeptabel erscheint.

2. begrüßt Komplexität

Viele Projekte scheitern daran, dass Unternehmen in die Komplexität „hineinstolpern“ und die darin enthaltene Einladung zur Überforderung voll auskosten. Und dies meist aus einem Missverständnis heraus, dass es sich nicht um komplexe, sondern nur um komplizierte Themen handelt. Ein wesentlicher Unterschied wird dabei ausgeblendet: komplex vs. kompliziert.

Mit komplizierten Fragestellungen umzugehen sind wir alle seit der Schulzeit gewohnt und dafür ausgebildet: alle komplizierten Themen, die mit Aufwand, hohem Einsatz und guter Ressourcenqualität „zu knacken“ sind, werden mit modernen Methoden, IT-Einsatz und konsequenter Delegation gemanagt. Je komplizierter ein Thema ist, desto wirksamer sind die herkömmlichen Tools und Managementmethoden.

Je höher aber der komplexe Anteil wird, desto hilfreicher ist ein anderes Repertoire. Alle komplexen Themen, die mit teilweiser Unvorhersagbarkeit, Rückkopplungen, „Chaos“ und nicht-linearer Dynamik daherkommen, werden mit Alternativen geplant und mit Entscheidungskraft geführt.

Komplexität bietet Vorteile,

wenn sie aktiv gestaltet und genutzt wird. Sie ermöglicht

  1. Erweiterung der Handlungsoptionen
    Komplexität zwingt Teams und Organisationen dazu, neue Denk- und Arbeitsweisen zu entwickeln. Dadurch wachsen die Handlungsoptionen, was die Grundlage für kreative und innovative Lösungen bildet.

  2. Dynamik und Lernen
    Durch die Auseinandersetzung mit komplexen Herausforderungen entsteht eine dynamische Umgebung, in der Teams lernen, mit Unsicherheit umzugehen. Dies steigert die Resilienz und verbessert langfristig die Anpassungsfähigkeit der Organisation.

  3. Abkehr von starren Strukturen
    Komplexität bricht starre Hierarchien und fördert Agilität. Sie zwingt Teams, flexibler und experimentierfreudiger zu agieren, beispielsweise durch Methoden wie Prototyping oder iteratives Arbeiten.

  4. Kreative Problemlösung
    Indem sich Teams bewusst mit den Spannungen und Unsicherheiten der Komplexität auseinandersetzen, entwickeln sie tiefere Einsichten und neuartige Ansätze, die über einfache Lösungsmechanismen hinausgehen.

Es sind Protoypen, die „good enough“ sind und nicht „ausgetestete“ Exzellenzlösungen, die uns zukünftig voranbringen. Ausgefeilte Pläne abzustimmen und niederzuschreiben ist nur noch Zeitverschwendung. Task Boards, Canvas und Design Thinking sind dagegen sinnvolle Hilfsmittel, um die nächsten Schritte gemeinsam anzugehen.

Klug ist, lieber rasch und unvollständig zu handeln statt spät und vollständig. Der Markt wird unübersichtlich, denn die Innovations- und Produktzyklen werden immer schneller – und die Big-Data- Masse ist nicht zu überblicken. Deshalb ist es klug, kurze Strecken mit hoher Intensität zu „sprinten“, statt für lange Reisen eine Menge Gepäck mitzuführen.

Es braucht beim Umgang mit die Lust, sich immer wieder neu zu entscheiden, statt dauerhafte Weichenstellungen zu betonieren. Es gilt mit der Regel „Zeitnah, aber nicht im Affekt“ zu führen.

Wir alle müssen also etwas dazu lernen, das ich die drei I Regel nenne: 1. inkrementell: weil große Pläne schon veraltet sind, bevor sie erscheinen, 2. interaktiv: weil einsame Helden mit ihrem Latein sonst zu schnell am Ende sind und 3. iterativ: weil Komplexität nicht in einem einzigen großen Wurf bewältigt werden kann.

3. mutet Euch zu

Der Unterschied zwischen homogenen und heterogenen Teams ist entscheidend für deren Leistungsfähigkeit in komplexen Situationen. Homogene Teams zeichnen sich durch eine schnelle Integration und reibungslose Zusammenarbeit aus, bewältigen jedoch Komplexität nur schlecht. Sie neigen dazu, sich auf Gemeinsamkeiten oder gar Pseudokooperation zu konzentrieren, wodurch innovative oder abweichende Ideen unterdrückt werden können.

Heterogene Teams hingegen haben es anfangs schwerer, eine produktive Kooperation aufzubauen, da ihre Mitglieder unterschiedliche Perspektiven und Arbeitsstile mitbringen. Sobald sie jedoch lernen, ihre Vielfalt effektiv zu nutzen, bewältigen sie komplexe Herausforderungen deutlich besser. Diese Teams können kreativere und qualitativ hochwertigere Lösungen entwickeln, da sie ein breites Spektrum an Denkweisen und Kompetenzen einbringen.

Entscheidend ist hierbei die Fähigkeit, Differenzen produktiv zu managen und Spannungen als Chance für Innovation zu nutzen. Diese Spannung ist umso produktiver, desto besser es gelingt, sich zuzumuten.

Sich zuzumuten besteht meist aus Kleinigkeiten; einen Wunsch äußern, einen Widerspruch nicht verschweigen, ein Gefühl zeigen, Ja sagen, Nein sagen, um Hilfe bitten, Hilfe annehmen…
Sich zuzumuten bedarf aber auch der Differenzierung. Wem mute ich mich zu und wem nicht? Sich zuzumuten braucht das Vertrauen im Team, nicht beschämt, verlacht oder zurückgewiesen zu werden.
In einer guten Gruppendynamik entdecken Menschen in wirksamen heterogene Teams viele andere Menschen, denen sie sich zumuten können. Doch wenn schon vorher abzusehen ist, dass von bestimmten Menschen mit Abweisung und Erniedrigung zu rechnen ist, ist jedes Sichzumuten fehl am Platze.

Ein homogenes (integriertes) Team kommt schnell zusammen, bewältigt Komplexität aber kaum, während ein heterogenes (differenziertes) Team schwer zusammenkommt, dann aber Komplexität deutlich besser bewältigt.

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