Nur wenn die Betroffenen zu Beteiligten werden, wird eine Transformation gelingen.
Diese Ansicht ist im Change Management weit verbreitetet: Veränderung ist nicht etwas, was Mitarbeitende passiv beobachten oder gar erdulden, sondern aktiv mitgestalten sollen. Dies gilt für digitale Transformation in Unternehmen ebenso, wie für die gesellschafte Reaktion auf die sich aktuell auftürmende Veränderungsnotwendigkeiten!
Bereits in früheren Blogbeiträgen habe ich ja darauf hingewiesen, dass Change Management die „Kunst“ ist, die Veränderung bei hohem Transformationstempo und hoher Beteiligung der Menschen zu erreichen. Nur wenn beides zusammenkommt: hohes Veränderungstempo und hohe Beteiligung bei der Veränderung, ist Change Management das wirksame Managment Konzept.
Wie organisiert man Beteiligung?
Schauen wir auf die am meisten anzutreffende Unternehmensorganisation: die hierarchische Organisation. In einer hierarchischen Organisation Beteiligung zu organisieren betrifft vor allem das Thema Entscheidungen. Beteiligung bedeutet, immer wieder zwischen Führungskraft und Team auszuhandeln, wer was entscheiden darf.
Die folgende Abbildung zeigt das Schema des Delegations-Kontinuums von Klaus Antons. Es veranschaulicht verschiedene Stufen der Beteiligung.
Bitte nicht „mitnehmen“
In der letzten Zeile der Tabelle ist die Beteiligung sehr niedrig ausgeprägt. Die Führung hat alles entschieden und informiert so über das Vorhaben, dass Mitarbeitende es mittragen sollen. Diese Art der Nicht-Beteiligung weist Führungskräften die aktive Rolle und Mitarbeitenden eine passive Rolle zu. In dieser Situation sprechen Führungskräfte dann oft davon, dass „die Belegschaft mitgenommen werden muss“. Ich finde diese Formulierung unpassend und abwertend. Sie erinnert an die sprichwörtliche Person, der ungefragt über die Straße geholfen wird, obwohl sie nur am Rand stehen und z.B. die Szenerie beobachten möchte.
Das Verb „mitnehmen“ illustriert seht gut, worum es der Hierarchie bei niedriger Beteiligung der Mitarbeitenden geht: Wir, die Führungsebene der Organisation, haben eine Veränderung beschlossen, die Ihr, die Mitarbeitenden nun machen sollt.
Fragen Sie sich selbst, wie sich diese Form der Nicht-Beteiligung wohl auf den Veränderungsprozess auswirken wird? Waren Sie selbst schon einmal in der Rolle des Mitarbeitenden, der keine Beteiligung erlebt hat? Wie sah da ihre Motivation zur Veränderung aus?
Echte Beteiligung wirkt
Wenn wir die oberen Zeilen der Tabelle anschauen, sehen wir Formen der hohen Beteiligung von Mitarbeitenden. Hier findet wirksames Change Management statt, denn Beteiligung der Mitarbeitenden ist für Transformationsprozesse ausgesprochen nützlich:
Es ist nicht nur menschlich anständig und demokratisch, sondern auch inhaltlich sinnvoll, Menschen früh und aktiv an einer Veränderung zu beteiligen. Dies gibt für eine agile Transformation in einer Organisationen genauso wie für die CO2 Reduktion auf der Ebene der Gesellschaft.
Je nach Sachverhalt und Befugnissen der Führungskräfte kann die Beteiligung in einer hierarchischen Organisation in unterschiedlichem Ausmaß erfolgen.
Nach meiner Erfahrung aus über 20 Jahren des Managements von Change Projekten, liegt beim Erfolgsfaktor Beteiligung die Wahrheit in der Mitte.
Dass bereits alles entschieden ist oder noch gar nichts, kommt in der Praxis kaum vor. Meist wird über das WAS, d.h. das Ziel der Transformation, hierarchisch entschieden und dann die Mitarbeitenden beim Weg dahin beteiligt. Hier setzen dann die Methoden des Change Management an.
wirksame Methoden der Beteiligung
Die Abbildung oben zeigt am Beispiel eines Strategieprojektes praktische Change Management Methoden.
Die vier Beteiligungsebenen reichen von der bloßen Information und Anweisung in Ebene eins bis zur Einbindung der Mitarbeitenden in den gesamten Prozess der Strategieentwicklung in Ebene vier. Die meisten Organisationen entscheiden sich für ein Vorgehen, das zwischen diesen beiden Polen liegt.
Informiert sein
Bei den unteren beiden Ebenen müssen die Mitarbeitenden die neue Strategie so akzeptieren, wie sie ist. Ziel der Beteiligung ist hier die Akzeptanz der beschlossenen Strategie. Daher stehen auf Ebene eins und zwei die gute Informationsweitergabe und die Klärung von Verständnisfragen im Fokus des Change Managements. Hier kommen als Methoden Großgruppenformate wie die Betriebsversammlung oder townhall Meetings zum Zuge.
In Ebene eins ist es wichtig, dass alle Mitarbeitenden die Information zeitnah und verständlich aufnehmen. Dies geschieht am besten gleichzeitig und direkt, damit nicht das altbekannte stille Post Spiel entsteht, bei dem ja immer Informationen verloren gehen.
In Ebene eins stellt die Führung im townhall allen die Veränderung vor und schildert, was das Ziel bzw. das neue SOLL-Verhalten ist. Es ist sinnvoll, dies durch schriftliche Unterlagen zu unterstützen, damit keine Information verloren geht und nachgelesen werden kann.
Wenn die Organisation es gewohnt ist, dies online mit einem entsprechenden Videokonferenz Tool zu tun, ist dies genauso gut, wie ein Meeting in Präsenz. Zusätzlich besteht online die Möglichkeit, die Aufzeichnung später noch einmal anzusehen, um bei offenen Fragen feststellen zu können, was genau gesagt wurde.
Verständnis klären
In Ebene zwei sind Kleingruppen sinnvoll, die es ermöglichen, Fragen und Antworten in einem Gespräch zu erörtern. Ich denke da an Formate wie „Führung vor Ort“ oder „lunch mit dem Vorstand“ in denen unter professioneller Moderation Führungskräfte und Mitarbeitende ins Gespräch kommen. In diesen kleineren Gruppen fällt es Personen leichter, auch kritische Themen anzusprechen und bestimmte Aspekte, die für das Verständnis wichtig sind, zu vertiefen.
Im Fall, auf den sich die obige Abbildung bezieht, wurden mehrere runde Tische mit je 16 Mitarbeitenden und dem Inhaber veranstaltet. Sie dauerten 90 Minuten und hatten mindestens 60 Minuten für Fragen und Antworten reserviert. Ich habe diese Runden moderiert und je nach Thema und Gruppendynamik zusätzliche Methoden genutzt. Dies waren z.B. 3er Gruppen, die Fragen vorbereiten und diese dann als Gruppe stellten.
Die Frage „Was haben wir verstanden und finden wir sinnvoll? Was ist uns unklar oder unverständlich? habe ich in einer mehrstufigen Gruppenarbeit bearbeiten lassen. Die Mitarbeitenden arbeiteten erst zu zweit, dann zu viert und dann zu acht Mitarbeitenden. Manche von Ihnen kennen das sicher als das one-two-four-all Format.
Beteiligt sein
Ab Ebene drei kommen Methoden zum Einsatz, die, statt nur zu informieren eine echte inhaltliche Beteiligung ermöglichen. Hier laden Führungskräfte ein, mitzugestalten. Oft finden die Mitarbeitenden die neue Strategie gut und es reicht aus, Änderungswünsche zu erfüllen. Doch es kann auch andere Reaktionen geben.
Etwa dann, wenn die fünf Key Account Manager*innen, an denen 80 Prozent des Umsatzes hängen, das neue Geschäftsmodell ablehnen: „Unter dieser Strategie fühlen wir uns nicht wohl, damit gehen wir nicht mehr zum Kunden.“
In diesem Fall steht ein herausfordernder Change Prozess bevor. Wahrscheinlich wird der Strategieprozess noch einmal geöffnet oder sogar gemeinsam noch einmal von vorne aufgerollt. Dabei besteht die hohe Kunst des Change Managements darin, die Mitarbeitenden in den Change Prozess einzubeziehen, aber gleichzeitig den Kern des Geschäftsmodells zu wahren. Ein aufwändiges Prozedere, das aus Akzeptanzgründen aber bewusst in Kauf genommen wird.
In Ebene drei wird Change fast immer als Projekt durchgeführt und die Beteiligung auf mehreren Ebenen organisiert:
- Durch die obligatorische Stakeholder Analyse, werden diejenigen identifiziert, deren Beteiligung für den Erfolg der Transformation sinnvoll ist.
- Einige Mitarbeitende sind Teil des Projektteams, d.h. arbeiten direkt an der Veränderung
- In Arbeits-Workshops, zu denen mindestens ein Drittel aller Mitarbeitenden eingeladen werden, erarbeiten sie inhaltliche Klärungen und alternative Ideen.
- Ein professionell moderierter Lenkungskreis sichert, dass die Themen gut geklärt und wirksam entschieden werden.
- Ein sounding board, dass alle relevanten stakeholder Gruppen abdeckt, gibt Feedback und lässt Emotionen und Widerstände frühzeitig erkennen.
- Großgruppen Formate werden an den Meilensteinen des Projektes eingesetzt, um breit und intensiv zu informieren und Identifikation mit den Ergebnissen herzustellen.
Einbezogen werden
Die vierte Ebene beschreibt den höchstmöglichen Grad der Mitarbeitenden-Einbeziehung. Der Anspruch eines Unternehmers lässt sich hier etwa so formulieren: „Wir alle haben die neue Strategie entwickelt – es ist unser gemeinsames Vorgehen.“
Zusammen mit den Mitarbeitenden gehen die Führungskräfte völlig offen in die Strategieentwicklung.
Zu Beginn eines Change Prozesses mit maximaler Mitarbeitenden Beteiligung nutze ich häufig spezielle Großgruppen- Methoden wie Real-Time Strategic Change, Open Space oder den Change -Kick Off. Daran anschließend wird, wie in Ebene drei, ein Projekt aufgesetzt.
Selbstorganisation organisiert Beteiligung anders
Bei Unternehmen mit hoher Selbstorganisation, die kaum Hierarchie aufweisen, wird Beteiligung grundsätzlch anders -meist dezentral- organisiert. Wie Beteiligung dort wirksam wird, berichte ich einem meiner nächsten Lotsenblog Posts.