Hochzuverlässige Organisationen, wie (Kern)Kraftwerke, chemische Anlagen oder auch ein Flugzeugträger stellen besondere Anforderungen an diejenigen, die dort Führungsverantwortung übernehmen.Wer hochzuverlässige Organisationen steuern will, für den heißt es, sich auf das Unvermeidliche vorzubereiten und das Nichtbeherrschbare zu beherrschen. Gefährlich ist der Versuch, im Detail vorauszusehen, was passieren wird – denn dieser Versuch unterstellt ein Maß an Verstehen, das man in der komplexen Dynamik von Führung unter Unsicherheit nicht erreichen kann. Im Gegenteil: Es entsteht dann der irrige Glaube, man habe – wenn der Plan nur gut genug sei – alles unter Kontrolle.
Stattdessen benötigt die Führungskraft eine Haltung, in der Flexibilität, gelassene Reaktion, Erfahrung und der strukturierte Umgang mit Unvorhergesehenem breiten Raum einnehmen. Nur dann ist sie in der Lage, das Unerwartete zu managen.
Diese besondere Herausforderung, die sich dahinter verbirgt, nennen Karl E. Weick und Kathleen M. Sutcliffe „Achtsamkeit“. Achtsame Führungskräfte
- sind sehr konzentriert auf Fehler, vor allem die „kleinen“. Denn jede Abweichung kann Symptom dafür sein, dass mit dem gesamten System etwas nicht in Ordnung ist.
- fördern Grenzgänger, die Vielfalt und eine gesunde Skepsis in ihrem Team. Denn Homogenität kann dann fatal werden, wenn sich vereinfachende Interpretationen als „feste Tatsache“ in der Gruppe etablieren und so blinde Flecke und dysfunktionale Wahrnehmungsmuster entstehen.
- handeln eher situativ und beobachten sehr sensibel die täglichen betrieblichen Abläufe. Sie wissen um die Macht latenter Muster, wenn sich Routine einschleicht.
- begreifen Fehler als typischen Teil einer ungewissen Welt. Sie sind doppelt flexibel, wenn sie diese Fehler einerseits frühzeitig entdecken und andererseits das System durch improvisierte Methoden immer wieder am Laufen halten. Sie simulieren laufend, was kommen könnte und üben regelmäßig, um ihreFirefighting Kompetenzen zu erhalten.
- achten fachliches Wissen und Können höher als hierarchischen Rang.Entscheidungen werden vor Ort getroffen und „wandern“ zu dem Mitarbeiter mit der größten Kenntnis.
Achtsamkeit kann gelernt werden
- durch klare, anerkannte und trainierte Methoden der Abweichungs- und Fehleranalyse, die immer im internen Team und nie allein oder allein durch Externe stattfindet
- durch Belohnung der Führungskräfte & Mitarbeiter, die sich und ihr Verhalten beständig reflektieren (Simulationen, Workshops, kollegiale Beratungen, Training, Coaching,…), satt immer nur etwas „wegzuschaffen“.
- in einem Klima, dass Annahmen und Bewährtes beständig in Zweifel zieht und das Bekanntwerden von Fehlern lobend hervorhebt.
- durch ein Führungs- und Entscheidungsverhalten, dass immer erst unterschiedliche Hypothesen bildet und mehrere konkrete Alternativen formuliert, bevor „endlich angefangen wird“
“Mindfulness means: to see things more clearly and not to think harder and longer.“
– Kathleen M. Sutcliffe