Es ist eine Lebensweisheit: kleine Unterschiede haben oft große Wirkungen
Warum ist der Unterschied zwischen kompliziert und komplex für Führungskräfte so wichtig? Weil die Begriffe kompliziert und komplex aus zwei verschiedenen Welten stammen!
Den überwiegenden Teil unserer beruflichen Tätigkeit verstehen wir so, als sei alles, was wir tun, in Welt der eindeutigen Mechanik des Sir Isaac Newton zu Haus: Einer Ursache folgt eine genau definierte Wirkung. Gerade wenn wir uns in Bereichen bewegen, in denen wir bereits viel Erfahrung haben, generalisieren wir oft und meinen, die Wirkung einer Ursache ganz genau zu kennen – ein Wenn-Dann Modell beherrscht unseren Kopf.
Im Gegensatz dazu sind Organisationen komplex, d.h. durch Wechselwirkungen und nicht durch lineare Rückkopplungen gekennzeichnet. Führungskräfte in Unternehmen, versuchen soziale Systeme zu steuern, sie haben ständig Personen in ihre Arbeitsteilung und Kundenbedürfnisse in die Produktentstehung zu integrieren. Je mehr Personal ein Unternehmen hat und je stärker diese Personen vernetzt sind, desto höher ist der Grad an Komplexität. In Unternehmen haben Führungskräfte damit immer mit Komplexität zu tun – auch wenn sie das nicht immer wahrhaben wollen.
Das Phänomen der Komplexität
braucht Führung: mit unternehmerischer Perspektive so zu regeln und zu steuern, dass der Organisationszweck erkennbar bleibt! Erfolgreiche Führung beginnt dann weit vor dem Kick-off zur ersten Planungsrunde und jenseits der „Execution“. Statt ausgefeilte Pläne zu schmieden, gehen erfolgreiche Führungskräfte angesichts der Komplexität mit seemännischer Gelassenheit hinaus in die Organisation und ermöglichen Kooperation, entscheiden die unentscheidbaren Entscheidungen und forcieren damit Selbstorganisation und -regulation. Statt E-Mails mit cc an jeden zu schreiben, sichern sie ihr Vorhaben direkt und persönlich ab. Wach und kooperationsbereit bilden sie Koalitionen der Willigen, jonglieren mit unterschiedlichen Interessen und kümmern sich um die Stakeholder des Themas.
Das Phänomen der Kompliziertheit
braucht Management: seit Frederick Winslow Taylor und Henry Ford werden Methoden und Tools entwickelt und dadurch die Handlungsfähigkeit vom Managern ermöglicht. Alle komplizierten Themen sind durch Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge gekennzeichnet, auch wenn sich diese nicht immer auf einen Blick erschließen. Sie sind mit Aufwand, hohem Einsatz und guter Ressourcenqualität „zu knacken“ und werden von wirksamen Führungskräften mit projektorientierten Methoden, professionellem IT-Einsatz, einer prozessorientierten Ablauforganisation, Stellenbeschreibungen und konsequenter Delegation gemanagt.
Die komplizierten Themen sind die Domäne der Experten. Wer sich gut auskennt und die Methoden beherrscht kann sich darauf verlassen, dass das passiert, was er vorher geplant hat. Unternehmen, die technische Systeme für ihre Wertschöpfung nutzen, haben es daher mit komplizierten Themen zu tun. Und so funktioniert auch die gängige Business Software und Steuerung nach Kennzahlen.
Leider werden im Tagesgeschäft die zwei Welten der Kompliziertheit und der Komplexität immer wieder vermischt und verwechselt.
Gerade wenn Ziele nicht direkt erreicht werden und Pläne nicht unmittelbar aufgehen, also Komplexität ihre „natürlichen Folgen“ zeigt, reagieren die Manager im Maschinenraum des Unternehmensschiffs oft nach der tayloristischen Mechanik. Es wird noch genauer geplant und viel exakter kontrolliert: Aktivitäten und Arbeitsschritte werden jetzt in Risikomanagement- Templates eingegeben, es werden Critical- Chain- Aktionen definiert, Meilensteine bestimmt und exakte Termine zugeordnet. Heraus kommt am Ende ein Datenpaket, mit dem sich mühelos die Wände des gesamten Büros tapezieren lassen und dessen Vorhersagen dann trotzdem nur selten eintreffen.
Eine wirksame Führungskraft, die den Unterschied zwischen kompliziert und komplex erkannt hat, wird daher:
- alle Themen, die kompliziert sind, also mit viel Aufwand, hoher Ressourcenqualität und individuellem Einsatz „geknackt“ werden müssen, mit Expertenwissen, modernen Methoden und IT-Einsatz „managen“;
- alle Themen, die komplex sind, also mit teilweiser Unvorhersagbarkeit, Rückkopplungen, „chaotischen Mechanismen“ und nicht linearer Dynamik versehen sind, „führen“, d.h. agil vorangehen, flexibel und mit Szenarien planen, um dann unentscheidbare Entscheidungen unter Unsicherheit zu treffen;
- den Übergang zwischen komplizierten und komplexen Themen genau beobachten, um ihr Verhalten anpassen zu können.
Dieser Beitrag ist Teil der Serie 10 Irrtümer über Führung. Ich schaue dort hinter die gängigen Mythen über das Leben und Arbeiten in der Managementetage. Denn entgegen der aktuellen Bestsellerliteratur, die vor allem auf das „Bashing“ setzt, glaube ich nicht, dass nur Karrieristen, Machtmenschen und andere »Irre« zur Führung geboren sind. Ganz entscheidend ist die richtige Haltung: Dann wird Einfluss wichtiger als Macht und eine Führungskraft kann wirkungsvoll tätig sein. Ein Überblick über alle Beiträge ist hier zu finden…
Schöner Beitrag Olaf! Ich denke, dass der Begriff Komplexität viel zu oft auch auf komplizierte Situationen (die ja systematisch lösbar sind) angewendet wird, um Situationen als quasi unlösbar darzustellen
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