verwirrung

Führungskräfte entscheiden, was richtig ist – 3. von 10 Irrtümern über Führung

Ab jetzt dürfen Sie hier die Entscheidungen treffen, ich mische mich nicht ein. Sie müssen nur richtig sein, sagte der Personaldirektor damals anlässlich der Beförderung zu mir.

Natürlich, Entscheidungen zu treffen ist eine der zentralen Aufgaben jeder Führungsrolle.
Natürlich darf man erwarten, dass diese Entscheidungen durchdacht, überlegt und sinnvoll sind.

Aber wie treffe ich eine richtige Entscheidung? Diesem Thema widmet sich eine ganze Disziplin in den Wirtschaftswissenschaften, die mit Daniel Kahnemann sogar nobelpreiswürdig war. Diese Disziplin hat uns mit einer Menge von Tools beglückt: Entscheidungsbaum, -matrix, Nutzwertanalyse, usw. Zusammen mit stochastischen Verfahren, die viele von uns seit der Schulzeit kennen, ergibt sich ein Set aus Managementmethoden für die „rationale Entscheidungsfindung“. Diese Art der Entscheidungsfindung ist so lange gut und wirksam, wo der Rahmen fest, die Parameter beschreibbar und die Prognosegüte hoch ist.

Unsere dynamische Zeit mit sinkender Gewissheit und den Herausforderungen der digitalen Transformation erfordert ein neues Entscheidungsparadigma: Führen heißt, die unentscheidbaren Entscheidungen zu treffen.

So lautet die scheinbare Paradoxie, die wir Heinz von Förster verdanken. Denn das Entscheidbare ist ja schon entschieden, bereits in Form von Prozessbeschreibungen, „messerscharfen“ Schnittstellenpapieren, Service Level Agreements, Spielregeln und Vereinbarungen festgelegt. Daher wendet sich eine Führungskraft, die unter heutigen Bedingungen wirksam sein will, den Fragestellungen zu, die nicht bereits einer Regel unterliegen, denn Regeln abarbeiten können im Zweifel auch KI-Automaten. Die Führungskraft in einer uneindeutigen Situation muss auf der Basis dieser Prognosen und des Abgleichs mit ihrer Risikoneigung Entscheidungen treffen. Dabei geht sie immer das Risiko ein, „falsch“ zu entscheiden. Denn welche Alternative die wirklich „richtige“ ist, kann sie bei einer unentscheidbaren Entscheidung nicht wissen

Das Wesen der Führung ist, dass die Entscheidung getroffen wird, d.h. das überhaupt entschieden wird.

An anderen Orten hatte ich ja schon dafür plädiert, dass Führung keine Sache der Helden an der Spitze, sondern eine Gemeinschaftsleistung ist. Damit rückt die Frage, wie entschieden wird, in den Fokus.

Die Wette gilt: Wenn sie eine Spontanumfrage machen, welche Entscheidungsregel für Teams am besten geeignet ist, wird die Konsensentscheidung mit weitem Abstand an der Spitze liegen. Konsens ist für viele Entscheidungssituationen wünschenswert, aber sicher nicht als alleinige Entscheidungsregel. Führungsteams müssen auch immer die Ökonomie ihrer Entscheidungsfindung im Auge behalten. Denn manche Suche nach einem Gruppenkonsens nimmt eine Menge Ressourcen im Anspruch, die zum Wert des Konsenses in keinem Verhältnis stehen. Da ist es gut, wenn sie je nach Entscheidungsgegenstand und Kontext eine sinnvolle Entscheidungsregel auswählen. Die folgende Tabelle zeigt mögliche Entscheidungsregeln, die sie je nach Situation auswählen.

Entscheidungsprozesse in Gruppen Copyright Olaf Hinz

Der Direktor des Max Planck Institutes für Bildungsforschung, Gerd Giegerenzer weist zu Recht darauf hin, dass auch die Intuition bei unentscheidbaren Entscheidungen eine erhebliche und positive Rolle spielt.

  • „Intuitionen ist weder eine Laune noch die Quelle aller schlechten Entscheidungen. Sie ist unbewusste Intelligenz, welche die meisten Regionen unseres Gehirns nutzt.
  • Intuition ist dem logischen Denken nicht unterlegen. Meistens sind beide erforderlich. Intuition ist unentbehrlich in einer komplexen, ungewissen Welt [..].
  • Intuition beruht [..] auf intelligenten Faustregeln und viel Erfahrungen, die im Unbewussten verborgen liegen.“

Intuition ist nichts Esoterisches, und somit für den harten Führungsalltag unbrauchbar, sondern einfache, praktische Klugheit. Es handelt sich um implizites Wissen, dass sich aus Erfahrung speist und Führungskräfte in die Lage versetzt, Bewertungen vorzunehmen, die von der praktischen Lebenserfahrung geleitet sind.

Wirksame Führungsentscheidungen brauchen den ganze Mensch mit allen bewussten und logischen genauso wie mit allen unbewussten und intuitiven Kompetenzen. Erfolgreiche Führung löst sich deshalb von der Diffamierung der Bauchentscheidungen als Zufall, irrational und falsch. Deshalb schließe ich mich Wilhelm Backhausen an, der empfiehlt „ […] aufmerksam auf die eigenen Gefühle zu achten, auf spontane affektive Reaktionen und Körperempfindungen, auch auf Bilder, die auftauchen, auf Metaphern, Geschichten, Märchen, Erinnerungen, die einfallen. All die angeblich so unwichtigen Ablenkungen sind vor allem zuerst zu bemerken und dann auf die ihnen vorgeschlagene Bedeutungsgebung zu prüfen. Dies ist der […] Prozess von Kreativität und Rationalität, der erst gemeinsam zu einer brauchbaren Entscheidungsfindung führt“.

Dieser Beitrag ist Teil der Serie 10 Irrtümer über Führung. Ich schaue dort hinter die gängigen Mythen über das Leben und Arbeiten in der Managementetage. Denn entgegen der aktuellen Bestsellerliteratur, die vor allem auf das „Bashing“ setzt, glaube ich nicht, dass nur Karrieristen, Machtmenschen und andere »Irre« zur Führung geboren sind. Ganz entscheidend ist die richtige Haltung: Dann wird Einfluss wichtiger als Macht und eine Führungskraft kann wirkungsvoll tätig sein. Ein Überblick über alle Beiträge ist hier zu finden…

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