Statt Methodik einzusetzen, lieber Haltung zeigen

2. von 11 Prinzipien für Führung bei Ungewissheit

An Methodik und Werkzeugen mangelt es im Management nicht. Und doch ahnen wir es längst: Erfolgreich zu führen bedeutet immer Management am Rande des Chaos. Es ist eine Binsenweisheit, dass sich Ziele im Ablauf ändern, Mitglieder das Team wechseln, Termine verändert werden oder der Markt neue Anforderungen stellt. Wenn also der Wandel „normal“ ist, warum erzeugt er immer noch enorme operative Hektik? Warum werden Mitarbeitende mit kosmetischen Maßnahmen bei Laune gehalten? Und warum werden bei Planabweichungen immer noch Krisensitzungen einberufen?

Weil es an Führungshaltung auf der Unternehmensbrücke fehlt und angesichts von Unsicherheit und Komplexität die Abkürzung in den Maschinenraum der Management-Tools genommen wird.

Führung und Management auseinanderhalten

Vielen ist sicher die Faustformel „Managers do things right, Leaders do the right things“ von Warren Bennis bekannt: Während Führungskräfte sich auf der Brücke um die „harten“ Themen Strategie, Vision, Kernprozesse, Schlüsselressourcen und die „weichen“ (Leadership-)Themen Motivation, Kommunikation, Inspiration und Innovation kümmern, sind die Manager im Maschinenraum die Techniker des Geschäfts. Sie wenden sich der Aufgabenerfüllung, der Projektumsetzung, dem Controlling und dem Tagesgeschäft der personellen Führung (Mitarbeitereinsatz- und Urlaubsplanung, Qualitätskontrolle) zu.
Die Things-right-right-things Faustformel macht die Unterschiede zwischen Führung und Management gut sichtbar, vernachlässigt allerdings das Zwischendeck, auf dem sich Führung und Management täglich begegnen müssen. Daher arbeite ich, wie die Abbildung veranschaulicht, mit einem dreiteiligen Konzept.

Die Herausforderung für die Tätigkeit „Managen“ liegt in einer guten Ausgestaltung der Instrumentenebene und der aktiven Mitarbeit auf der Strukturebene, damit Strukturen entwickelt werden, die nachher auch gut funktionieren.
Führung dagegen zeigt sich vor allem im Bereich der Strategie und beim Aufbau von Strukturen, welche die Umsetzung der Strategie effizient ermöglichen.

Erfolgreiche Organisationen brauchen immer beides: hervorragende Managementtechnik, die sich im Maschinenraum der Instrumentenebene um einen möglichst effizienten Betrieb kümmert, und hervorragende Unternehmensführung, die auf der Brücke der Strategieebene den Kurs absteckt.

Das Zusammenspiel dieser beiden Tätigkeiten findet auf der Strukturebene statt, wenn abgesprochen wird, mit welchem Arbeitsprogramm der angelegte Kurs erreicht werden soll.

Sieben Faustregeln, um auf der Brücke zu bleiben

In der Dynamik des Tagesgeschäftes passiert oft ein typischer Fehler: Führungskräfte verbringen zu viel Zeit im Maschinenraum, statt auf der Brücke für klaren Kurs zu sorgen. Sieben Faustregeln helfen dabei, dass Sie sich nicht unter Deck „verbuddeln“:

  1. Bleiben Sie auf der Brücke! Vermeiden Sie es, als oberster Sachbearbeiter aufzutreten, wenn Sie Ziele vereinbaren und überwachen. Den Weg zum Ziel können Sie ruhig Ihren Fachleuten überlassen.
  2. Sorgen Sie für kollegiale Hilfe, indem Sie Transparenz zwischen den einzelnen Aufgabengebieten schaffen, statt jede Frage immer selbst zu beantworten. Jede*r muss wissen, was er/ sie zu tun hat, sollte aber auch Einblick in andere Bereiche erhalten, damit untereinander kollegiale Hilfe möglich ist.
  3. Stellen Sie sicher, dass Ihre Mitarbeitenden die Aufgabe klar verstehen; hören Sie deshalb immer aktiv zu und betreiben Sie Drei-Wege-Kommunikation (senden – aktiv zuhören – Feedback geben).
  4. Stecken Sie klare Kompetenzrahmen vorausschauend ab.
    – Was dürfen die Mitarbeitenden selbst entscheiden?
    – Welche Zusagen dürfen sie Dritten geben?
    – Mit wem dürfen sie selbstständig verhandeln?
  5. Sorgen Sie für das Vorhandensein aller Mittel, die für die Durchführung der Aufgabe nötig sind. Dies umfasst auch „Ihre Machtmittel“, d.h., dass Sie in schwierigen Situationen „mit der Macht des Amtes“ helfend zur Seite stehen.
  6. Je größer und komplizierter das Thema ist, desto größer ist auch die Gefahr von Missverständnissen. Klare Delegation wird deshalb durch die Schriftform unterstützt, denn gesagt ist noch nicht verstanden.
  7. Korrigieren Sie die entdeckten Fehler nicht selbst! Sie dürfen Fehler und Mängel feststellen, das „Ausbügeln“ obliegt jedoch Ihren Mitarbeitenden.

Die Haltung der seemännischen Gelassenheit

Von professionellen und unsicherheits-robusten Führungskräften darf mehr „seemännische Gelassenheit“ erwartet werden. Ein erfahrener Kapitän redet seiner Mannschaft niemals einen aufziehenden Sturm schön, beordert aber auch nicht alle Mann an Deck und verteilt Schwimmwesten. Vielmehr erwartet er Stürme sowie unvorhergesehene Probleme und begegnet ihnen wach und gelassen.
Eine seemännisch gelassene Führungskraft handelt hellwach, konzentriert, gut vorbereitet und unter Einsatz all ihres Erfahrungs- und Methodenwissens – aber stets in der Führungsrolle und nicht als Funktionär irgendeiner Managementschule. Kernelement ist das Verhalten der Führungskraft selbst und nicht die Methoden und Techniken, die sie anwendet. Die bleiben, was sie sind: Methoden der Unterstützung.

Operative Hektik, Berichte auf den letzten Drücker und sinnloses Multitasking verschwinden, wenn diese Art der Führung Einzug hält. Diese Führungskräfte spielen alternative Szenarien bereits im Vorfeld und nicht erst ad hoc durch. Sie bewahren in der schwierigen Situation Ruhe, weil sie wissen, dass sie einen Plan B und C in der Tasche haben, strahlen deshalb Gelassenheit aus und stabilisieren so die Lage.
So sollte es auch beim Surfen auf der Welle der Ungewissheit sein: Wer in seine operative Strategie einkalkuliert, dass nichts außer den Überraschungen sicher ist, für den ist eine Terminveränderung keine Bedrohung. Im Gegenteil: Für das Managen des Unvorhergesehenen wird sie bezahlt, nicht für die Abarbeitung von Plänen.


Dieser Blogbeitrag ist Teil einer elfteiligen Serie in der die Aufforderung ergeht, Ihr bisheriges Repertoire zu erweitern und bewährtes Führungswerkzeug zu ergänzen. Denn in einer Welt der Mehrdeutigkeit kann es kein neues, einziges und überragendes Führungsparadigma mehr geben. Über diesen elf Aufforderungen, etwas dazuzulernen, „thront“ ein Prinzip, auf dem das „Segeln auf Sicht“ sich gründet: die Drei-I-Regel

Führung unter Ungewissheit ist
a) inkrementell: weil große Pläne schon veraltet sind, bevor sie erscheinen;
b) interaktiv: weil einsame Helden mit ihrem Latein im VUCA-Wetter am Ende sind;
c) iterativ: weil Komplexität nicht in einem Zug bewältigt werden kann.

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