Kennen Sie das? Der Projektkapitän sitzt spät abends schlecht gelaunt vor seinen Mails. Trotzdem er die Besprechung mit seinem Team heute wieder einmal aus \“Termingründen\“ abgesagt hat, ist er schon wieder über 9 Stunden hier.
Außerdem fühlt er sich von seinem Team im Stich gelassen. Die Arbeit ist längst nicht so weit, wie verabredet. Scheinbar macht hier jeder, was er will! Dabei sind alle Ziele exakt beschrieben, der Plan steht – jeder kann alles nachlesen und muss doch wissen, worum es geht!
Ein Softwarearchitekt wird ihm gegenüber immer patziger, andere irgendwie lustlos. In der letzten Besprechung musste der Projektleiter sogar laut werden, damit die ewigen Bedenkenträger endlich Ruhe geben.
Und statt, dass mal jemand kommt, um zu erzählen, was los ist, erwarten sie wohl, dass er sich wieder kümmert und nachfragt. Nein, das hat er keine Lust mehr und daher das Meeting einmal abgesagt – als Zeichen, dass er sich nicht alles gefallen lässt. Immer wieder Verzögerungen und fachliche Fehler. Stürme überall -was soll ich denn dieses Projektschiff je in den Hafen bekommen….
Projekte zu leiten heißt, an Deck zu bleiben!
Ob dieses Zeichen das richtige Signal setzt? – Wohl kaum. Der Ärger unseres Projektkapitäns ist verständlich, seine Reaktion sollte aber durch mehr seemännische Gelassenheit geprägt sein. Denn wenn der Kapitän unter Deck ist, fehlt die Führung auf der Brücke. Und Präsenz ist nötig! Es sind die kleinen Kurskorrekturen, die verhindern, dass das Schiff aus dem Ruder läuft.
Die Arbeit in Projekten ist durch mehr Unsicherheit, weniger Ordnung und unvorhersehbare Tätigkeiten gekennzeichnet als eine Tätigkeit in einer klar gegliederten Abteilung – gerade deshalb handelt es sich ja um ein Projekt. Quasi ein Naturgesetz der Arbeit in Projekten ist es also, dass häufige Abstimmungen über den Kurs erforderlich sind.
„Führung heißt sagen, was ist!“.
Gerade am Anfang wollen und müssen die Mitarbeiter im Projekt wissen, woran sie sind und mit wem sie es zu tun haben. Verbindlichkeit in der Beziehung entsteht durch klares Handeln und nicht durch die üblichen Interpretationen, „wahrscheinlich sollen wir […] “.
Projektmanagement besteht aus den Aufgaben Planen, Organisieren, Delegieren und Steuern und dies benötigt eine effektive und partnerschaftliche Kommunikation. Strukturpläne, Meilensteine und akribisch formulierte Projektprozesse ersetzen das nicht.
Im Tagesgeschäft erreicht all die Energie, mit der die Aufgaben angegangen werden, die Projektmitarbeiter häufig nicht so, dass diese motiviert und produktiv ihren Teil der Lösung beitragen können. Weil sie eben durch Pläne allein nicht verstehen können, was gemeint ist!
Seien Sie deshalb klar in dem was Sie erwarten. Schildern Sie anschaulich und konkret, wie eine gute Leistung aussieht und fragen Sie nach, was und nicht ob es verstanden wurde.
Sie verstehen schon, was ich meine – Nein, ich höre nur, was sie sagen
Denn auf Ihre Frage: „Sie verstehen schon, was ich meine“ lautet die korrekte Antwort doch eigentlich: „Nein, ich höre nur, was Sie sagen.“ Lassen Sie deshalb deutlich erkennen, um was es Ihnen geht, damit sie nicht interpretiert werden müssen.
Präsenz und klare Kommunikation wird schnell und eindeutig durch einen klaren persönlichen Dialog erreicht. Management by Email ist dazu völlig ungeeignet! Dies folgt der Einsicht, dass derjenige, der eine Information übermittelt auch dafür mit Sorge zu tragen hat, dass diese Information vom Gesprächspartner verstanden und umgesetzt wird.
Eigenständigkeit aufbauen
So vorgegangen, wird die Lust an eigenständiger Projektarbeit im Team wachsen. Am Anfang unsicher, erfahren die Teammitglieder durch die gute Begleitung des Projektleiters, wohin die Reise geht. Ihre Fragen werden rasch beantwortet, so dass ein Koordinatenkreuz entsteht, in dem sie nun immer mehr Themen selbst beantworten können. Die Freiheitsgrade im Projekt werden berechenbar. Jetzt kennt jeder seine Verantwortung und seinen Spielraum. Die Aufgaben werden mit Spaß und Motivation bearbeitet.
Projektmanagement braucht keine Helden
Wenn der Kapitän dann auch mal unter Deck in den Maschinenraum gehen will, sollte er die folgenden Punkte erledigt haben:
Die 10 Punkte für seemännische Gelassenheit in Projektkrisen
- Führung ist Bringschuld: Wer steuern will, muss aktiv handeln. Wer passiv führt, fördert vor allem die Phantasie seines Projektteams.
- Präsenz in der Situation schafft Vertrauen und Verbindlichkeit: Ihr Input im Kleinen gibt Sicherheit über das große Ganze.
- Stellen Sie Fragen: Sie machen den Mitarbeitern so deutlich, worauf es ihnen ankommt. Anhand der Antworten erkennen sie, ob der Auftrag bereits verstanden worden ist.
- Motivation entsteht durch Sinn und Zusammenhang: Zeigen Sie, welche Rädchen ineinander greifen müssen und wer diese Rädchen besetzt, damit sich das Uhrwerk des Projektes dreht.
- Stecken Sie klare Kompetenzrahmen ab: Was dürfen die Mitarbeiter selbst entscheiden? Welche Zusagen dürfen sie Dritten geben? Mit wem dürfen sie selbstständig verhandeln?
- Entdeckte Verbesserungspotenziale nutzt der verantwortliche Mitarbeiter: Er bügelt Mängel aus und entwickelt so Eigenständigkeit. Sie dürfen Fehler und Mängel „nur“ feststellen.
- „Management by wandering around“: Gehen Sie gelegentlich zu ihren Mitarbeitern und fragen nach, „wie es läuft“. Sie erfahren Details und Zusammenhänge, die in Mails nie auftauchen und die Mitarbeiter fühlen sich gesehen und ernst genommen.
- Bei Konflikten, die das Team nicht selbstständig löst, moderieren Sie.
- Stehlen Sie Ihrem Projektteam nicht die Zeit: Verbindliche Tagesordnungen führen zu Projektbesprechungen, bei denen nur Entscheidungen getroffen werden, die die Anwesenden betreffen.
- Holen Sie aktiv Feedback zu Ihrer Führung ein: Auch Kritik ist die Chance zur Kurskorrektur! Und kleine Korrekturen kosten viel weniger Zeit und Energie, als die größeren die fällig werden, wenn Sie bereits auf Grund gelaufen sind und Schiffbruch erlitten haben.
Zurück zu unserem Eingangsbeispiel: Der Projektleiter tauscht seine beginnende Gleichgültigkeit in echte seemännische Gelassenheit um und stellt sich der Führungsherausforderung. Im Projekt steht turnusmäßig Risikocontrolling auf der Agenda. Der Projektleiter entscheidet sich diesmal gegen eine große Besprechung, sondern dafür persönliches Feedback einzuholen. Und er hört zum ersten Mal, dass die jungen Kollegen hochgradig unzufrieden sind, weil sie nicht genug Unterstützung für ihre Fragen bekommen. Außerdem vermissen alle regelmäßige Informationen über die Projektdynamik. Schon mehrfach haben sie Prioritäten falsch gesetzt, weil unklar war, wo in anderen Teil-Projekten Pläne geändert wurden. Jedes Mal hatte es Konflikte gegeben.
Der Projektleiter verabredet daraufhin mit seinem Team einen halben Tag für interne „Manöverkritik“. Wach und konzentriert sorgt er dafür, dass wirklich jeder zu Wort kommt. Viele Fragen kann er sogar gleich beantworten, die Stimmung wird dadurch schon gelassener. Teammeetings werden nun konsequent entsprechend der neuen Agenda stattfinden. Auf die Einhaltung der gemeinsam erarbeiteten Spielregeln werden alle achten.
Stecken Sie gerade in einem Sturm oder wollen sich für zukünftige wappnen? Dann melden Sie sich kurz unter lotse@www.hinz-wirkt.de für ein erstes, unverbindliches Lotsengespräch…
Das ist ein sehr netter Artikel
Die 10 Tipps für mehr Gelassenheit sind recht hilfreich für den Umgang mit Projektkrisen, um schnell wieder auf den richtigen Kurs zu kommen (um mal beim Seefahrer-Bild zu bleiben 😉 . Vor allem der 10. Punkt – aktiv Feedback einzufordern – wird häufig vergessen, weil es dabei natürlich auch mal unangenehm für die Führungskraft werden kann. Dabei ist das enorm wichtig für ein gesundes Klima im Team.
Etwas widersprüchlich finde ich den ersten Punkt: Dort heißt es, mann müsse aktiv steuern, da passives führen nur die Phantasie des Teams anregen würde. Ich kann beim besten Willen nicht nachvollziehen, was an einem phantasievollen Team negativ sein sollte. Kreative Lösungsansätze sind doch immer willkommen!
Das ist wohl eher ein Missverständnis, denn mir ging es um die „interne“ Phantasie und überhaupt nicht um Kreativität. Sobald eine Führungskraft im Projekt nicht sagt, „was ist“, sondern stumm bleibt, wo das Team eine Aussage erwartet, beginnt das Kopfkino:
Wenn z.B. gestern ein Meilensteinmeeting mit dem Auftraggeber war und es dazu keine Infos an die gibt, die nicht dabei waren, könnten diese denken:
a) dann war ja alles gut – no news are good news
b) ist wohl ausgefallen
c) hat der Kapitän mal wieder vergessen, die Mannschaft zu informieren
d) war wohl so schimm, dass er sich nicht traut, darüber zu berichten
e) …
f) …
Dies sind die Phantasien, die ich meine: ein Kopfkino, das vielleicht unterhaltsamer Zeitvertreib ist, aber dem Projektfortschritt wohl nicht nützt.