Wenn weitreichende Entscheidungen (z.B. über die Verteilung knapper Ressourcen) anstehen, empfehle ich die Kraft der Gruppe zu nutzen, statt auf einsame Entscheidungen von denen “da oben” zu setzen. Ein Projektmarkt braucht einen Handelsplatz, meist ein großer Besprechungsraum oder ähnliches, auf dem die Anbieter (Projektsponsoren & -leiter) im Kreis angeordnet sind und die Käufer (Projektmitarbeiter, Budgetverantwortliche, Führungskräfte) sich von Marktstand zu Marktstand bewegen.
Er ist wie ein Basar organisiert, auf dem die üblichen Prozeduren zu beobachten sind: da wird angeboten, die Qualität des Angebotes kritisch geprüft, verhandelt, gefeilscht und am Ende “eingeschlagen” oder zum nächsten Marktstand weiter gezogen. Ein Marktvogt (Moderator) wacht über die Einhaltung der vorher vereinbarten Spielregeln.
Üblich sind fünf Phasen
- Angebotsphase
Jedes Projekt stellt sich den Käufern kurz vor und wirbt darum, dass sich ihnen personelle und finanzielle Ressourcen zuordnen. Dabei achtet die Moderation darauf, dass die vorher eingehaltenen Standards (Inhalte, Präsentationsform, Dauer, etc..) eingehalten werden, um faire Marktbedingungen herzustellen. - Prüfungsphase
Dann werden die umworbenen Ressourcen (Projektmitarbeiter, Budgetverantwortliche, Führungskräfte) gebeten, sich an den Marktständen näher über die Angebote zu informieren und Verständnisfragen zu stellen. Es entsteht schnell eine Atmosphäre wie im Bienenstock: Stimmengewirr und Bewegung im Raum. - Verhandlungsphase
Nachdem die Verständnisfragen geklärt sind, beginnt die heiße Phase des Projektmarktes. Die Anbieter werben um die notwendigen personellen, finanziellen und andere Ressourcen (z.B. Laborkapazität), gehen auf potentielle Käufer zu oder versuchen sie von anderen Projekten abzuwerben. Auf der anderen Seite versuchen die Käufer ihre Ressourcen attraktiv zu präsentieren und möglichst gute Vereinbarungen für ihren nächsten Projekteinsatz zu vereinbaren. - Vertragsphase
Es ist immer wieder ein ähnliches Bild: Einige Projektsponsoren und -leiter haben ein so attraktives Angebot, dass an deren Marktständen das Projekt schnell mit Ressourcen ausgestattet ist. Sie signalisieren der Moderation, dass bei ihnen alles o.k. sei und beginnen bereits mit den ersten Gesprächen zum Aufsetzen des Projektes.
Andere Anbieter und Nachfrager stehen eher unschlüssig und suchend auf dem Marktplatz, weil sie entweder nicht gesucht oder nicht gefragt wurden. Es beginnt die zweite (und dritte) Runde der Verhandlungen, bei denen Käufer und Nachfrager Kompromisse machen müssen. Da beginnt ein Projekt später und ein Projektmitarbeiter akzeptiert eine Rolle, die nicht sein erster Wunsch war. Ein Budgetverantwortlicher findet kein attraktives Investment oder unterliegt beim Bieterwettstreit um sein “Topprojekt”. - Marktschluss
Sobald deutlich ist, dass alle erreichbaren Verträge geschlossen sind, beendet die Moderation den Projektmarkt und holt das Feedback aller Teilnehmer ein. Es empfiehlt sich, dass sich die Moderation im Anschluss um die Anbieter und Nachfrager “kümmert”, die nicht zum Zuge gekommen sind.
Die Dauer des Projektmarktes hängt natürlich von der Anzahl der Anbieter und Nachfrager ab. Bewährt haben sich halb- oder eintägige Veranstaltungen. Längere Märkte sind eher Projektmessen und brauchen einen dementsprechenden höheren Vorbereitungs- und Organisationsaufwand.
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Auf dem Marktplatz bietet die Moderation Nähe an, manchmal auch Trost. Grundsätzlich löst ein Projektmarkt ja ein Knappheitsproblem, das also etwas „übrigbleibt“ ist ein Phänomen, das gewollt ist.
Deine Frage der Attraktivität löst im Nachgang zum Marktplatz meist etwas aus, Herbert.
Ich habe erlebt, dass sich in der Folge einmal eine Neujustierung des Projektprozesses, ein anderes Mal eine Diskussion über strategische Prioritäten ergeben hat.
Die Moderation bietet Nähe an, manchmal auch Trost, stimmt.
Allerdings ist das Konzept vor allem gedacht, um ein Verteilungsproblem gut zu lösen. Das also etwas „übrig“ bleibt, wissen die Beteiligten vorher. Für den Einzelnen bedeutet „nicht ausgewählt“ zu sein natürlich trotzdem oft etwas; daher das Angebot der Nähe.
Ich habe im Nachgang erlebt, dass einmal ein Projektprozess überarbeitet wurde und ein anderes Mal ein Dialog über strategische Prioritäten in Gang kam.
Verstehe ich, würde aber als Erweiterung – eventuell mit einem kleinen Refelktingteam – auf die Entscheidungsprämissen achten, die zu den Verhandlungsergebnissen geführt haben. Müsste doch spannend sein
gute Idee Herbert. Werde ich versuchen…
Danke Dir für dieses Konzept. Einfach, ohne die Kompelxität simpel zu reduzieren, sondern sichtbar zu machen, klar strukturiert und doch auf dialogische Selbstorganisation ausgerichtet.
Offen ist jedoch geblieben, was man aus dem Unterschied „sehr attraktiv“ – „wenig atrraktiv“ lernen kann. Dass sich die Moderation „kümmert“ ist nur ein Trost für den Einzelnen, hilft aber weder diesem wirklich, noch der Organisation.